V2G in Deutschland nicht möglich?
Elektroautos als Energiespeicher nutzen? Bidirektionales Laden wäre die Lösung, doch aus welchem Grund ist das aktuell noch nicht möglich? In diesem Video werde ich auf 6 Herausforderungen eingehen, die noch gemeistert werden müssen.

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Wir leben in einer Welt, in der immer mehr Menschen Solarpanels installieren.
Somit lässt sich einfach selbst Strom erzeugen und man wird unabhängiger vom Stromversorger. Aber was passiert mit dem überschüssigen Strom, den man nicht verbraucht?
Heimspeicher sind eine großartige Möglichkeit, überschüssigen Strom zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen.
Doch könnten hierfür auch Elektroautos eingesetzt werden?
Das Laden eines Elektroautos über eine Wallbox funktioniert ja bereits ohne Probleme, doch warum stellt das Entladen, also das Abrufen der Energie eine Herausforderung dar? Was sind die Schwierigkeiten beim Zurückspeisen des Stroms in das Hausnetz durch V2H oder in das öffentliche Stromnetz durch V2G?
Grund 1 - Fahrzeugelektronik
Obwohl Elektrofahrzeuge in der Regel mit leistungsstarken Akkus ausgestattet sind, ist die bidirektionale Ladefähigkeit bei den meisten derzeit auf dem Markt erhältlichen Modellen nicht verfügbar. Der Grund hierfür liegt in der Auslegung der elektrischen Komponenten des Fahrzeugs, die primär auf den Fahrbetrieb ausgelegt sind. Die Elektrik und insbesondere der Akku nicht für einen durchgehenden 24/7 Betrieb konzipiert, was sich in einer begrenzten Lebensdauer und eingeschränkten Leistungsfähigkeit auswirken kann.
Im Gegensatz dazu sind stationäre Heimspeicher und die dazugehörige Elektronik speziell für einen Dauereinsatz ausgelegt. Der Speicher ist im stationären Betrieb und die Größe und das Gewicht des Speichers spielen für den Kunden eine untergeordnete Rolle. Hier haben Entwickler viel Spielraum und wenig Einschränkungen bei der Entwicklung des Speichers.
Bei der Fahrzeugelektronik muss aufgrund der hohen Anzahl an Anforderungen und Normen schon ein Anforderungsmanagement betreiben.
Themen wie EMV, also Elekktromagnetische Verträglichkeit, ein Funktionieren in einem breiten Temperaturband bei -40° und bei +50°, Robuste und rüttelfeste Bauteile zur Sicherstellung einer hohen Zuverlässigkeit unter harten Betriebsbedingungen, die Kompatibilität mit anderen Komponenten des Fahrzeugs, insbesondere mit dem Bordnetz und den Steuergeräten.
Und natürlich sollten die elektrische Bauteile so entworfen werden, dass sie energieeffizent sind, wenig Bauraum benötigen und ein geringes Gewicht aufweisen. Nicht zu vergessen soll das ganze sicher und umweltverträglich nach aktuellen Umwelt- und Sicherheitsstandards nach dem Stand der Technik entworfen werden.
Elektrische Bauteile sollten so gestaltet sein, dass sie den Umweltstandards entsprechen und die Umweltbelastung minimieren
Es ist ganz klar, dass Hersteller sich im ersten Schritt bei der Entwicklung auf den Schwerpunkt elektrischFahren konzentriert haben. Das ist ja immernoch der usecase nummer 1, der kostengünstig und zuverlässig funktionieren soll. Der Fokus lag bisher nicht auf den einen Einsatz des E Autos als Speicher im Dauerbetrieb.
Grund 2 - Zyklenfestigkeit
Akkus sind ein zentrales Element von Elektrofahrzeugen und dienen als Energiespeicher für den elektrischen Antrieb. Allerdings weisen die in E-Autos verbauten Lithium-Ionen-Akkus eine begrenzte Zyklenfestigkeit auf. Es wird allgemein angenommen, dass sie bei etwa 1.000 Lade- und Entladezyklen ihre Kapazität um etwa 20 bis 30 Prozent reduzieren.
Im Vergleich dazu können moderne Heimspeicher in der Regel etwa 5.000 bis 10.000 Ladezyklen erreichen.
Labor-Tests haben sogar gezeigt, dass einige Heimspeicher bis zu 28.000 Zyklen erreichen können.
Ein Grund dafür ist, dass Heimspeicher in der Regel auf eine längere Lebensdauer ausgelegt sind als Akkus in Elektrofahrzeugen, bei welchen eine hohe Energiedichte und ein geringes Gewicht eine ebenso bedeutende Rolle spielen.
Es ist wichtig zu bedenken, dass die Zyklenfestigkeit von Akkus von vielen Faktoren abhängt, wie zum Beispiel der Temperatur, der Art der Entladung und der Ladekurve. Eine schonende Behandlung und regelmäßige Wartung können dazu beitragen, die Lebensdauer der Akkus zu verlängern. Belastende Temperaturen, Schnellladen und der Betrieb der Batterie bei einem ungünstigen Ladestand unter 20% oder über 80% kommen beim Elektroauto öfter vor als bei Heimspeichern, was sich natürlich wieder auf die Lebensdauer und die Zyklenfestigkeit auswirkt.
In der Forschung wird derzeit an neuen Materialien und Technologien gearbeitet, die die Zyklenfestigkeit von Akkus verbessern sollen. Zum Beispiel gibt es vielversprechende Ansätze wie die Verwendung von Feststoffelektrolyten oder dem Einsatz von Silizium-Anoden statt Graphit-Anoden. Mit fortschreitender Technologie werden die Akkus von Elektrofahrzeugen in der Zukunft noch langlebiger und leistungsfähiger und somit dann auch geeigneter für das bidirektionale laden.
Grund 3 - Verwendung der Elektronik durch Drittanbieter
Sofern es technisch möglich ist, wird sich ein Fahrzeughersteller ganz genau überlegen, ob er das bidirektionale Laden vollständig freigibt oder evtl. nur in einem begrenzten Umfang.
Warum aktiviert der Hersteller nicht einfach die Bidirektionale Ladefunktion im vollen Umfang, , sofern dies technisch bereits möglich ist?
Das ist ganz einfach, durch das bidirektionale Laden wird das Fahrzeug für einen Usecase eingesetzt, welcher bei der Entwicklung und der Auslegung der Bauteile evtl. nicht im Fokus stand. Jede zusätzliche Nutzung der Elektrik und insbesondere des Akkus, wirkt sich belastend auf die elektrischen Bauteile und somit auch auf die Lebensdauer aus.
Die Schwierigkeit sind hier die Einflüsse, welche der Fahrzeughersteller selbst schwer kalkulieren kann und vom angenommenen Nutzungsprofil abweichen. Im schlimmsten Fall muss der Hersteller am Ende mit Gewährleistungskosten und Garantieansprüchen rechnen, was dieser natürlich vermeiden möchte.
Anders sieht es aus, wenn ein intelligentes und mit dem Ladegerätehersteller abgestimmtes Be- und Entladen erfolgen würde.
Hier könnte sich das bidirektionale Laden auch positiv auf die Batterielebensdauer auswirken.
Schließlich könnte durch das bidirektionale Laden der Ladevorgang so gesteuert werden, dass sich der Akku für die meiste Zeit im optimalen Ladezustandsbereich befindet. Bei Lithium-Akkus liegt dieser zwischen 20 und 80%. Dabei ist es natürlich wichtig, dass der Akku zum geplanten Abfahrtszeitpunkt immer noch ausreichend geladen ist. Das bidirektionale Laden ermöglicht es, diesen idealen Ladezustand für den Akku zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
Grund 4 - Software
Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Entwicklung von Fahrzeugsoftware sehr langsam, da sie stark reguliert ist. Die Entwickler müssen sich an strenge Vorschriften und Normen halten, die von verschiedenen nationalen und internationalen Gremien festgelegt wurden, wie zum Beispiel ISO 26262 bei sicherheitsrelevanten Funktionen. Dies kann die Entwicklung von Fahrzeugsoftware zusätzlich verlangsamen und verteuern. Die größte Schwierigkeit besteht darin, die verschiedenen Technologien, Protokolle und Plattformen miteinander zu integrieren und sicherzustellen, dass die Kommunikation zwischen ihnen reibungslos funktioniert.
Das gilt insbesondere auch für die Softwareentwicklung an Schnittstellen zur Außenwelt. Egal ob Kommunikation mit der Wallbox, einer App auf dem Handy oder der Datenbank in der Cloud. Gerade an diesen Schnittstellen liegt das Augenmerk vor allem darin, die Sicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten. Da sensible Informationen wie Fahrzeugdaten, Nutzerinformationen und Zahlungsdaten übertragen werden, müssen geeignete Sicherheitsmechanismen implementiert werden, um eine unautorisierte Nutzung oder Datenmanipulation zu verhindern.
Zusätzlich müssen die Hersteller die verschiedenen rechtlichen und regulatorischen Anforderungen beachten, insbesondere im Bereich des Datenschutzes und der Cybersicherheit. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden und anderen Branchenpartnern, um sicherzustellen, dass die Software den geltenden Vorschriften entspricht.
Grund 5 - Ladegeräte
Sicherlich ist eine der größten Herausforderungen beim bidirektionalen Laden die Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Ladevorgangs sowohl für den Nutzer, das Elektrofahrzeug als auch für das Stromnetz. Die Tatsache, dass das Fahrzeug nun sowohl Energie aufnehmen als auch abgeben kann, erfordert eine genaue Kontrolle der Energieflüsse und -mengen.
Das bidirektionale Laden erfordert eine sorgfältige Überwachung der Spannung und des Stroms, um z.B. Überhitzungen der Batteriezellen zu vermeiden. Es müssen daher spezielle Sicherheitsvorkehrungen und Algorithmen entwickelt werden, um die Sicherheit beim bidirektionalen Laden zu gewährleisten. Eine galvanische Trennung ist ebenso erforderlich, um für den Nutzer die Sicherheit zu gewährleisten. Zudem muss eine reibungslose Kommunikation zwischen Fahrzeug, Wallbox und dem Einspeisenet ermöglicht werden.
Was uns direkt zum nächsten Punkt führt
Grund 6 Stromnetze sind nicht intelligent
Die Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der Ladestation ist von entscheidender Bedeutung, wenn das Laden und vor allem auch das bidirektionale netzdienlich sein soll.
Eine Ein unkoordiniertes Speichern oder Einspeisen von Energie macht wenig Sinn.
Schließlich ist es ja nur netzdienlich, wenn der überschüssige Strom gespeichert wird, wenn zu diesem Zeitpunkt im Netz eine Überspeisung vorliegt, sprich kein zusätzlicher Strom gewünscht ist.
Wenn man hier nur blind den Strom speichert und blind wieder an das Stromnetz abgibt, ist keinem geholfen, außer man fokusiert sich auf eine autarke Stromversorgung des Eigenheims.
Doch spätestens wenn die Direktvermarktung von Strom attraktiver wird und sich mit Stromverkäufen auf dem Strommarkt Geld verdienen lässt, wird dieser Punkt noch relevanter. Auf das Thema Direktvermarktung und dem dynamischen Strommarkt kann ich gerne in einem separaten Video im Detail drauf eingehen.
Zudem werden elektrische Komponenten durch das unnötige Speichern in Anspruch genommen, was sich auf die Lebensdauer auswirkt. Von den Wandlungsverlusten mal abgesehen.
Die Kommunikation und ein intelligentes Stromnetz sind deshalb sehr wichtig. Unabhängig von Speicherlösungen, wäre es ein Großer Gewinn und eine Entlastung für das Stromnetz, wenn Stromkunden wüssten, wann große Stromverbraucher idealerweise, eingeschaltet werden sollen. Ohne diese Information wird das Stromnetz unnötig belastet.
Ein Beispiel hierfür wäre es, wenn alle Ladestationen bei hoher Netzauslastung den Ladestrom auf ein Minimum reduzieren würden, sofern das vom jeweiligen Fahrzeugbesitzer so freigegeben wurde. Natürlich macht das wenig Sinn nicht an einem Supercharger an der Autobahn, aber evtl. an der Wallbox daheim, wenn die nächste Fahrt ohnehin erst am Folgetag geplant ist und nach der Abschaltung genug Zeit bleibt, um das E-Auto zu aufzuladen.
Die erforderlichen Kommunikationsmöglichkeiten , Schnittstellen und Protokolle fehlen jedoch noch.
Fazit / Zusammenfassung - Bidirektionales Laden
Die Auslegung der Elektrik und des Akkus von Elektrofahrzeugen ist auf den Fahrbetrieb ausgerichtet und nicht für einen durchgehenden Einsatz optimiert.
Das Thema bidirektonales Laden ist in der Umsetzung und Entwicklung eine Herausforderung. Neben der Fahrzeugtechnik, den Akkus, den Ladegeräten und dem Stromnetz gibt es einige Herausforderungen. In allen der genannten Bereiche gibt es Weiterentwicklungen, sodass wir langfristig sicher E-Fahrzeuge netzdienlich sein werden und deren Besitzer durch intelligente Stromabnahme und Strombereitstellung intensiviert werden. Ich halte euch zu diesem Thema auf jeden Fall auf dem Laufenden.